Redebeitrag zur Verteidigung der Migrationsgesellschaft

Wir sind heute hier, um für Demokratie und Menschenrechte sowie gegen den fortschreitenden Rechtsruck zu kämpfen! Der global wachsende Autoritarismus und gesellschaftspolitische Verschiebungen nach rechts scheinen unaufhaltbar über uns hereinzubrechen. Auf internationaler, europäischer, nationaler und auch auf kommunaler Ebene.

Nicht nur mit dem Amtsantritt von Donald Trump zeigt sich, wie eng der Abbau des Rechtsstaats mit einer Anti-Einwanderungspolitik und rassistischer Hetze verwoben ist. Auch Europa steht an der Schwelle einer autoritären Transformation.

Die Skandalisierung von Migration ist anschlussfähig an die nach rechts gerückte politischen Mitte. Die Grundrechte von Geflüchteten werden heutzutage beschnitten, als handele es sich um Verwaltungsakte. Dafür wird auch der Abbau rechtsstaatlicher Prinzipien und offener Rechtsbruch nicht gescheut. Weder die CDU noch die FDP schrecken davor zurück mit der rechtsnationalen AfD anti-demokratische, rechtsuntergrabende und autoritäre Beschlüsse im Bundestag zu verabschieden. Schuld am gegenwärtigen migrationsfeindlichen Klima ist jedoch nicht allein die CDU. Auch die Ampel-Koalition hat Einwanderung in den letzten Jahren immer wieder als Sicherheitsproblem adressiert. Zugleich bedeutet das migrationsfeindliche Klima für Millionen von Menschen in Deutschland eine ernste Gefahr für Leib und Seele.

In der Migrationsdebatte liefern zu viele Politiker:innen auf komplexe Fragen allzu einfache Antworten. Doch Migration ist so vielschichtig wie unsere Gesellschaft selbst – und Demokratie und Migration sind untrennbar miteinander verwoben. Eine starke Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass sie Komplexität nicht leugnet, sondern in klare, universelle Prinzipien überführt: gleiche Rechte für alle, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung oder Religion. Oft wird vergessen, dass Deutschland nur deshalb dort steht, wo es heute steht, weil es eine Migrationsgesellschaft ist.

Wir als Antifaschistische Plattform haben uns zusammengetan und 8 Thesen zur Verteidigung der Migrationsgesellschaft erstellt, um den unsäglichen Angriffen auf Vielfalt, Grundrechte und Bewegungsfreiheit etwas entgegenzusetzen.

These 1: Ohne Migration gibt es keine Gesellschaft. Wir leben in einer Migrationsgesellschaft, in der sich nicht zwischen einer vermeintlich „einheimischen“ und „fremden“ Bevölkerung unterscheiden lässt. Migration gab es schon immer und wird es auch in Zukunft geben. Ohne Migration gäbe es keine Gesellschaft.

These 2: Wir haben kein Migrationsproblem, es geht um die soziale Frage. Wachsende soziale Ungleichheiten, prekäre Arbeitsverhältnisse, Wohnungsnot und mangelnde Infrastruktur betreffen große Teile der Gesellschaft – hierzulande und global. Ihre Ursachen liegen, unter anderem, in der extrem ungleichen Verteilung von Wohlstand, in vernachlässigter Sozialpolitik und chronischer Unterfinanzierung der Kommunen – nicht in Zuwanderung. Wir stellen uns bei all diesen Themen gegen die Verkehrung von Ursache und Wirkung.

These 3: Migration zum Problem zu erklären, fördert rechte Ideologien. Entrechtung und Abschottung verhindern den gesellschaftlichen Rechtsruck nicht, sondern befeuern ihn. Weder Haftlager an den Außengrenzen noch Deals mit sogenannten „Drittstaaten” reduzieren, wie ihre Verfechter:innen behaupten, die Zahl der Flüchtenden und Toten an unseren Außengrenzen. Genauso wenig verhindern Abschiebungen nach Syrien oder Afghanistan die autoritäre Verschiebung innerhalb Europas – ganz im Gegenteil!

These 4: Die Entrechtung einzelner Gruppen ist nur der Anfang – es gibt kein Menschenrecht-Light. Die Geschichte lehrt uns, dass Ausgrenzung und Entrechtung nicht bei einzelnen Gruppen stehen bleibt. Der Entzug von Grundrechten und das Schüren rassistischer und antisemitischer Ressentiments führt zu einem innergesellschaftlichen Autoritarismus und dem Erstarken rechter Bewegungen. Die Ausgrenzung wird sich nicht nur gegen Minderheiten und marginalisierte Gruppen richten, sondern langfristig die Freiheit aller einschränken. Menschenrechte sind universell und unteilbar.

These 5: Auch die Ampel-Regierung bereitete den Weg für den gesellschaftlichen Rechtsruck. Die CDU schreitet durch ihre rechtswidrigen Vorschläge gemeinsam mit der FDP und AfD auf diesem Weg voran. Das Erstarken rechter Ideologien kann nicht dadurch bekämpft werden, dass man sich auf Kosten grundlegender Menschenrechte deren Forderungen annähert. Doch die Ampel-Koalition tat genau dies und bat dadurch zusätzlichen Nährboden für rechte Erzählungen. Die CDU will das Asylrecht in Deutschland gleich komplett abschaffen und Sozialleistungen für Geflüchtete auf ‘Bett, Brot und Seife’ reduzieren sowie die Abschiebehaft ins Unendliche ausweiten. Die Ampel Regierung ritt auf der rechten Welle mit und hat die Aushöhlung des Asylrechts durch die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems mitgetragen, duldet achselzuckend die tödlichen illegalen Pushbacks und hat in der vergangenen Monaten auch mit Abschiebungen nach Afghanistan begonnen.

These 6: Das Recht, Asyl zu suchen, ist kein Gnadenrecht. Asyl ist ein Grundrecht. Das Recht, Asyl zu suchen, ist im Völker- und Europarecht tief verankert. Zugang zum Asylsystem sicherzustellen und Schutz zu gewähren ist kein humanitärer Gnadenakt, sondern eine zwingende Verpflichtung gegenüber Geflüchteten. Wenn Menschen an den EU-Außengrenzen um Schutz ersuchen und ihnen daraufhin Zugang zu den Asylsystemen gewährt wird, ist das also kein Kontrollverlust, sondern entspricht schlicht den geltenden Verträgen.

These 7: Entrechtung und Spaltung gehen auf Kosten der Gesellschaft. Die Entrechtung von Menschen löst keine sozialen Probleme, sondern kreiert zahlreiche Folgeprobleme für alle. Abschottung, Abschiebungen, Arbeitsverbote, Ausschluss aus der medizinischen Regelversorgung und die erzwungene Unterbringung in Sammelunterkünften hindern Menschen daran, einen sinnvollen Anschluss an ihre neue Umgebung zu finden – und kosten zusätzlich Milliarden. Dieses Geld ließe sich besser ausgeben: für die Unterstützung beim Ankommen und für Strukturen in den Gemeinden und Kommunen.

These 8: Wir müssen den strukturellen Rassismus überwinden. Menschenrechte und Solidarität sind unteilbar. Rassistische Denkmuster sind tief in die europäische Gesellschaft eingeschrieben. Das Ergebnis ist struktureller Rassismus, der in vielen Bereichen wie Bildung, Arbeitsmarktzugang, Gesundheitsversorgung und Wohnungssuche Gleichbehandlung verhindert. Wir haben uns mittlerweile an die Bilder von Toten an unseren Außengrenzen gewöhnt, genauso wie an den Umstand, dass Sozialleistungen für Geflüchtete das gesetzlich festgelegte Minimum unterschreiten. Menschenrechte verlieren ihre Wertigkeit, wenn sie nicht für alle gleichermaßen gelten. Die Rechte Geflüchteter sind somit unser aller Rechte. Lasst uns gemeinsam für sie einstehen!

Der aktuelle autoritäre Staatsumbau ist ein Angriff auf uns alle. Denn wir sind alle Teil der Migrationsgesellschaft, die es zu verteidigen gilt!

Jetzt im Vorfeld der Bundestagswahl. Aber auch zukünftig!

Unsere Solidarität ist und bleibt unteilbar!

Februar 2025